Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften                                                                                       25.05.2004

Institut für Allgemeine Pädagogik

HS Bildungssysteme im internationalen Vergleich, SS 2004

Dozent: Hr. Fees

Referentin: Anita Baschant                                                                                   

 

 

 

Bildungssystem Lettlands

 

 

1. Lettland in Zahlen:

Name: Republik Lettland, Latvijas Republika (LV)                        Hauptstadt: Riga, ca. 800.000 Ew

Staatsform: Parlamentarische Demokratie                                  Landesgröße: 64.597 qkm

Bevölkg.: 2,355 Mio.Ew. (55,8% Letten, 32,3% Russen, 3,9% Weißrussen, 2,9% Ukrainer, 2,2% Polen, 1,3% Litauer)

Sprachen: Lettisch, Russisch                                                     Amtssprache: Lettisch

Religionen: ev.-luth. (protestant.), römisch-katholisch, russ.-orthodox

Währung: Lettische Lat, 2003: 1 € = 0,63LVL; 1LVL = 1,58 €

 

2. Landesgeschichte

1201 Gründung Stadt Riga

13. Jht. Christianisierung Livlands durch Deutschen Orden (Livonischer Orden)

16. Jht. Russische Eroberungsversuche, „Livländischer Krieg“

1621 Eroberung Rigas/Livland durch Schweden

1710-1795 Eroberung Rigas durch Zar Peter den Großen

ab 1850 Industrialisierung + Handelsaufschwung, Riga = wichtigster Hafen Russlands

Ab 1881 Politik der Russifizierung der Ostseeprovinzen

Im 19. Jht. „Nationales Erwachen“: Emanzipierung der lettischen Bildungsschicht,

1905 Volksaufstand, Ziel: Befreiung von deutscher und russischer Vorherrschaft, Fehlschlag

1. Weltkrieg: Besetzung durch dt. Truppen

18.11.1918 Ausrufung der Republik Lettlands

1922 Verabschiedung der Verfassung, Parlamentarische Demokratie

1934 Umsturz, Auflösung des Parlaments, Bildung einer Diktatur (Karlis Ulmanis)

1940 Erklärung Lettlands zu Sowjetrepublik, erzwungene Eingliederung in UdSSR

2. Weltkrieg: Besetzung durch dt. Wehrmacht

ab 1945 Sowjetisierung Lettlands

ab 1987 öffentl. Forderung nach unabhängigem Staat, Bildung einer Volksfront

20.08.1991 Unabhängigkeitserklärung, Wiederinkrafttreten der Verfassung

Ab 1991 Beginn von politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozessen

1991 Aufnahme der baltischen Staaten in UNO

1993 Wiedereinführung der lettischen Nationalen Währung

1995 Aufnahme Lettlands in Europarat

13.12.2002: Eu-Gipfel in Kopenhagen Beschließt Aufnahme Lettlands in EU

1.Mai 2004: Lettland offizielles Mitglied der EU

 

3. Geschichte des Bildungswesens

13. Jht. Gründung erster Schulen durch die Kirche

14. Jht. Gründung weltlicher Schulen

ab 16. Jht. Bildung lettischer Schulen

im 19. Jht. Herausbildung von Bildungssytem

1861 Gründung des Polytechnikum in Riga

1864 Gründung der 1. Mittelschule, Unterricht in lettischer Sprache

1870 Eröffnung des baltischen Lehrerseminars in Riga

1918 Durchsetzung der Grundschulpflicht

1919 Gründung der Universität von Lettland, dem lett. Staatskonservatorium, der lett. Kunstakademie

Nach 1945 Zentralisierung des Schul- und Bildungssystems durch die UdSSR

1991 Wiederherstellung der Unabhängigkeit, Bildungspolitik zentraler Punkt in öffentl. Diskussion

1991 Erlass von Bildungsgesetz

1995 Gesetz über das Bildungswesen, 2-gliedriges Schulsystem höherer Bildung

1999 Erlass eines neuen Bildungsgesetzes

ab Sept. 2004 geplant: Unterricht in lettischer Sprache in allen öffentlichen Schulen

 

Rechtl. und gesetzliche Grundlagen

Bildungsgesetz, Gesetz der Allgemeinen Bildung, Berufsbildungsgesetz, Gesetz über höhere Bildungseinrichtungen

 

Zuständigkeiten der Bildungspolitik, Planung und Verwaltung

Staatliche Ebene (nationale Ebene): Parlament, Kabinett, Bildungsministerium, Andere Ministerien

Kreise (regionale Ebene): Regionale Verwaltungen, Bildungsausschüsse/ -ämter der Kreise

                                      (gebildet/finanziert von Kreisen und Großstädten)

Gemeinden (Lokale Ebene): Gemeindeverwaltungen

Schulen

 

4. Struktur und Aufbau des Bildungssystems

allg.: Bildungssystem gliedert sich in Vorschulerziehung, Grundbildung, Sekundarbildung und

2 - gliedriges System höherer Bildung

 

4.1.Vorschulerziehung

Besuch des Kindergartens bis zum 4. LJ freiwillig

Seit 2002: Besuch des Vorbereitungsprogramm zur Schule für 5 und 6jährigen Kinder verpflichtend

Finanzierung: Kommunen unterhalten die Bildungseinrichtungen, Bezahlen das Kindergartenpersonal, Staat zahlt Gehälter der pädagogischen Mitarbeiter

 

4.2. Allgemeine Schulbildung

Dauer: 12 Jahre, allgemeine Schulpflicht 9 Jahre, Schuleintrittsalter 7 Jahre

Unterteilung in Grundbildung und obere Sekundarstufe

 

4.2.1 Grundbildung

9jährigen Grundbildung von Kl. 1 – 9, unterteilt in 4jährige Primar- und 5jährige untere Sekundarstufe

Ziel: Jugendl. sollen bis zur Vollendung des 18. LJ eine Grundausbildung respektive Berufsausbildung

       bekommen

Übergang in nächst höhere Klasse erfolgt automatisch

Bewertungssystem: 10stufig, Note 10 = herausragende Leistung, Note 1 = ganz schlechte Leistung

ab 3. Klasse 1. Fremdsprache: Englisch, 2. Fremdsprache in 6. Klasse (Russ., Deutsch, Französisch)

Ende 9. Klasse Abschlussprüfung, Zertifikat über Grundbildung (apliecîba par pamatizglîtîbu)

 

4.2.2 Obere Sekundarstufe (vidçjâ izglîtîba)

allgemeine obere Sekundarstufe schließt an Grundbildung (nach Klasse 9)

Wahl zwischen 4 verschiedenen Unterrichtsprogrammen

Pflichtfächer unabhängig vom Schwerpunkt: Lettische Sprache/Literatur, Mathematik, Geschichte,

1 Fremdsprache, Sport, Angewandte Informatik, Grundlagen der Wirtschaft

schwerpunktbezogene Pflicht- und Wahlfächer, machen ca. 25 % des Unterrichts aus

Unterrichtsfächer in Grundkurs- und Leistungskursniveau angeboten, mindestens ein Fach muss Leistungskursniveau haben

Ende 12. Klasse  Abschlussprüfungen, die zentral einheitlich gestellt werden:

5 Abschlussprüfungen (Lett. Sprache/Literatur, 1 jährlich wechselndes zentral vorgegebenes Prüfungsfach und 3 von den Schülern selbst zu wählende Fächer)

Erhalt eines Diploms über allg. obere Sekundarstufe (atestâts par vispârçjo vidçjo = unser Abitur)

Bei Zensuren in wenigstens 12 Fächern nicht unter Note 4 berechtigt Abgangszeugnis der 12. Klasse zum Studium an Universitäten und Hochschulen

 

4.3 Berufsbildung

Berufsausbildung schließt an Grundbildung an, Ausbildung findet nicht im dualen System statt, erfolgt vollständig in Berufsschule

4 Arten von Berufsausbildung:

Berufsgrundbildung Dauer 1-2 J., (siehe Pkt. 4.2.1)

Vermittlung einfacher beruflicher Qualifikation für Schulabgänger ohne erfolgreichen Abschluss der 9jährigen allg. Schule

Berufsausbildung in einfacher berufsbildender Schule (arodizglîtîba) 2-3 Jahre

     Vermittlung theoretischer + praktischer Kenntnisse/Fertigkeiten für Berufsausübung, Lehrpläne

     enthalten auch allg.bild. Anteile, Abschluss der Ausbildung bietet keinen Zugang zum Studium

Berufsausbildung in weiterführender berufsbildender Schule (profesionâlâ vidçjâ izglîtîba) 4 Jahre

     Vermittlung beruflicher Kenntnisse auf höherem Niveau, hat umfangreichen allg.bild. Anteil

     Absolventen erhalten Studienberechtigung für lettisches Hochschulsystem

Berufliche Weiterbildung 2 Jahre

 

4.4. Studium

Studieren kann man in Lettland an Universitäten, Akademien und Hochschulen

Voraussetzung für Zulassung zum Studium: erfolgreicher Besuch der allg.bild. Sekundarstufe

kein zentrales Zulassungsverfahren, Hochschuleinrichtungen bilden eigene Zulassungskommissionen, die in Abhängigkeit von Anz. der Bewerber pro Studienplatz passendes Zulassungsverfahren wählen

In einem Auswahlverfahren qualifizieren sich Studienbewerber für staatl. finanzierten Studienplätze ohne Studiengebühren.

Studenten, die die Aufnahmebedingungen erfüllen, sich aber im Auswahlverfahren für die begrenzt verfügbaren staatl. finanzierten Studienplätze nicht qualifiziert haben, können gegen Entrichtung einer Studiengebühr das Studium aufnehmen.

Studienplätze an privaten Hochschuleinrichtungen müssen generell selbst finanziert werden

 

Seit 1995: 2gliedriges System Höherer Bildung in Lettland

Unterteilung in universitäre und nichtuniversitäre Ausbildungen

d.h.: Neben herkömmlichen universitärem Studium mit akademischen Abschluss gibt es praxis-bezogene Studiengänge vergleichbar mit Fachhochschulstudiengängen in Deutschland

 

Die nichtuniversitären/praxisbezogenen Studiengänge

Unterscheidung zwischen

Bildungsgängen mit akademischen Abschluss (d.h.: Berechtigung, das Studium auf universitärem Niveau fortzusetzen) = berufl. Fortbildung mit BA-Standard (4-6Jahre) und

Bildungsgänge ohne akademischen Abschluss ( keine Berechtigung, das Studium auf universitärem Niveau fortzusetzen) = berufl. Fortbildung ohne BA-Standard (4J.)

 

Das universitäre Hochschulstudium

besteht aus 2 grundlegenden Stufen:

1. Stufe dauert 3 oder 4 Jahre und führt über das Erstellen einer wissenschaftl. Abschlussarbeit zum akademischen Grad Bakalaurs (Bachelor of Science)

Der nach 4 Studienjahren erworbene Bakalaurs wird als eigenständige akad. Qualifikation angesehen,

das 3jährige Bachelor-Studium hingegen als Vorstufe für weitere berufsqualifizierende Ausbildung, insbesondere für ein Master-Studium

2. Stufe dauert 1-3 Jahre, ist aufbauendes Studium,  Abschluss ist akad. Grad Magistrs (Master of Science) und wird durch eine weitere wissenschaftl. Arbeit erworben

Medizin- und Zahnmedizinstudium verläuft ohne den Erwerb von Bakalaurs und Magistrs mit einem zum Master äquivalenten Abschluss

3. Stufe ist das Promotionsstudiums, Voraussetzung für Aufnahme ist ein dem Magistrs äquivalenter Studienabschluss, dauert 3 –4  Jahre und führt über die öffentliche Verteidigung der Dissertation zum international als Ph.D. bekannten Doktors